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Farbreife
Claudia Ecks Werkzyklus, entstanden in den Jahren zwischen 1992
und 1995,
ist von zwei bildkonstituierenden Mitteln dominiert: Farbe und
geometrische
Form. Dicht verwoben in feinst ausgewogenen Kompositionen
erstarren sie
nicht in einem Muster, sondern finden sich in einem äußerst
labilen Gleichgewicht.
Das prozessuale kompositionelle Arbeiten, das zum Erreichen
dieser gefügten Kompositionen führt, kann man in
durchschimmernden Farb- und Formschichten ablesen. Was auf den
ersten Blick flächig wirkt, ist ein vielschichtiger Farbraum,
in dem Bewegung wie in einer Momentaufnahme eingefroren ist.
Verschiedene geometrische Formen stehen im Farbraum,
spannungsreich ihr farblicher Bezug zueinander.
Für die einzelnen Bilder und Zyklen entwickelt Claudia Eck
verschiedene Ansätze.
So überlagern sich in «Spiegelung 1« (1995) verschiedene
geometrische Formen dergestalt, daß sie wie schwebende Teilchen
im endlosen Raum stehen. In »Spiegelung 2« (1995) brechen
wolkenartige quellende Gebilde aus einem nur scheinbar flächigen
und festgefügten Rautenmuster. Zwei Werke ohne Titel aus
dem Jahr 1994 tragen ein optisch verzerrtes Rautenmuster,
das sich zu Treppen
und Giebeln aufstellt. Bei »Rhythmus 1« (1995) schimmern hinter
einem einfarbigen Bildgrund die übermalten, doch Bildtiefe
suggerierenden Kreisformen durch. Sogar
der Pinselduktus auf Farbflächen wie in »Begegnungen« (1992)
unterstützt wie ein Schweif den rotierenden Eindruck der
Kreisausschnitte. Die »Punkte« von 1995 stehen in einem
spielerischen Gleichgewicht, das leicht ins Rollen geraten
könnte.
Ganz dicht am formalen Geschehen ist auch, was Claudia Eck über
die inhaltliche Ebene dieses Werkzyklus´sagt: »Thema meiner
Bilder ist das Leben selbst, das Wachsen und der Wandel, das
Aufblühen und Vergehen, Abläufe und Variationen, Zyklen und
Wiederholungen. Diesen Veränderungen entspricht das Moment der
Bewegung. Bewegung kann ein Kreisen um ein Zentrum sein.
Bewegung kann Wachstum , Puls oder Rhythmus bedeuten. Bewegung
ist ein Ausdruck von Leben.«
Das alles erinnert zunächst an Sonia und Robert Delaunays
Arbeiten, die schon
vor dem ersten Weltkrieg durch geometrische und farbige Formen
Bewegtheit darstellten. Diese Bewegung war aber keine örtliche,
die auf der Bildfläche oder
im Farbraum stattfand. Vielmehr ging es ihnen um die durch das
Licht sichtbar werdende Farbe, die der Mensch als Gegenstand
oder Form wahrnimmt, und um
die Simultaneität dieses Phänomens im Universums, um seine
Gleichzeitigkeit und
das Nebeneinander 1. Auch konstruktivistische Experimente,
wie sie etwa die ungarische Avantgarde in Wien schon in den 20er
und 30er Jahren unternahm, 2 haben einen ganz anderen
künstlerischen Ansatz. Denn gerade die Beschäftigung mit
der Form ist nicht der künstlerische Antrieb von Claudia Eck. So
ist auch ein Vergleich mit den Bedeckungsstrukturen
eines Victor Vasarely unangebracht, handelt es sich doch bei
ihnen um das Spiel mit optischen Irritationen.
Vielmehr steht für Claudia Eck als übergreifendes künstlerisches
Prinzip die Farbe
im Zentrum ihres malerischen Tuns und Werken. Wenn sie in
anderen - älteren und jüngeren - Werkzyklen
expressiv und gegenständlich-figurativ arbeitet, so beweist
sie auch hier, daß die Farbe ihre ureigenste Antwort jenseits
der Motivwahl und aller Stilfragen ist. Für sie ist die
Aussagekraft der Farbe das Wesentliche, die Essenz der Malerei.
Farbe ist nicht nur Darstellungsmittel, sondern auch
Darstellungsgegenstand. Da Farbe unmittelbar den medialen
Gegebenheiten der Malerei entspricht, sie ist die Kraft und
Energie, die Malerei bestimmt. Aber Farbe ist im Unterschied zu
anderen bildnerischen Mitteln nie nur Instrument der Abbildung,
denn sie hat ihr eigenes Wesen. Dieses schließt Phänomene ein,
die man mit Farbe erzeugen kann, die aber nicht ausschließlich
an sie gebunden sind, wie Textur, Rhythmus und Räumlichkeit.
Sie werden zu Farbraum und Farbrhythmus.
Wenn ein Maler sich mit solcher »Selbstbeschränkung« der Farbe
widmet, wie Claudia Eck, setzt er sich der Farbe aus. Er muß
ihre Gesetze genau kennen, um nicht an ihnen zu scheitern.
Er ist also nicht mehr derjenige, der das Medium Farbe benutzt,
sondern er wird von der Farbe in Anspruch genommen. Er
arbeitet in Übereinstimmung mit der Farbe oder gar in ihrem
Sinn. Daher versenkt er sich in einen oftmals jahrelang
währenden Dialog mit ihr. Der vorliegende Werkzyklus von Claudia
Eck ist das Ergebnis einer solchen tiefen Versenkung, eines
Reifeprozesses, der heißt, essentielle Malerei zu
betreiben.3
Dr. Annegret Winter
1 Kat. Delaunay und Deutschland. Ausstellung Staatsgalerie
moderne Kunst im
Haus der Kunst, München 1985/1986. Köln 1985. S. 167.
2 Hier sei besonders verwiesen auf die geometrischen
Kompositionen von Anna
Bèotha-Steiner und Ètienne Bèothy aus der Zeit um 1930. Siehe
hierzu: Weibel,
Peter (Hrg.): Jenseits von Kunst. Wien 1997. S. 65. Auch an die
Formationen von
Hermann Painitz aus den 60er Jahren sei kurz erinnert: Ebenda,
S. 121.
3 Bleyl, Matthias: Essentielle Malerei in Deutschland. Wege zur
Kunst nach 1945.
Nürnberg 1988.
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